Graue Energie und Ihr Beitrag zum Klimaschutz

Wenn graue Energie bzw. graue Emissionen nicht berücksichtigt werden, entsteht häufig ein falsches Bild der Wirklichkeit. Beispielsweise gilt die Schweiz im Vergleich mit anderen Industrieländern weithin als relativ klimafreundlich, da die äquivalenten Pro-Kopf-Emissionen von Kohlendioxid (CO2) deutlich unter den von Ländern wie Deutschland liegen. Jedoch ergab eine detaillierte Studie des Bundesamts für Umwelt (BAFU) der Schweiz ein völlig anderes Resultat. (Die Zahlen sind veraltet; neuere wurden leider noch nicht gefunden.) Zwar lagen die inländischen Emissionen mit 7,2 Tonnen jährlich (Stand 2004) eher tief. Allein schon den Importen von Gütern aus Deutschland in die Schweiz sind CO2-Emissionen von über 10 Millionen Tonnen jährlich anzulasten, zu vergleichen mit den jährlichen inländischen Emissionen der Schweiz von 53 Mio. Tonnen CO2. (Wenn z. B. ein Auto in Deutschland hergestellt und in die Schweiz exportiert wird, müssen die Emissionen bei der Herstellung der Schweiz und nicht Deutschland angelastet werden.) Bei Berücksichtigung aller Importe und Exporte, d. h. aller „grauen Emissionen“, kommt die Schweiz auf ca. 12,5 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Kopf und Jahr und liegt somit in etwa beim Durchschnitt der Werte der OECD-Länder. Umgekehrt stellt man fest, dass die um den Import und Export bereinigten CO2-Emissionen von China wesentlich tiefer liegen als die Rohdaten.

Es ist somit klar, dass Vergleiche von Pro-Kopf-Emissionen sehr fragwürdig sind, solange die graue Energie nicht berücksichtigt wird. Leider sind aber entsprechende Daten relativ schwer verfügbar.

Beispiele für graue Energie

  • Die Herstellung eines Autos (einschließlich der Herstellung von Rohstoffen wie Stahl, Aluminium und Kunststoffen) benötigt typischerweise einige zehntausend Kilowattstunden – offensichtlich besonders viel für schwere Fahrzeuge wie Geländewagen. Auch die Lackierung von Autos ist sehr energieintensiv. Trotzdem ist die für den Betrieb benötigte Energie (meist in Form von Kraftstoff) noch deutlich höher als die graue Energie.
  • Der Bau von Gebäuden braucht große Mengen von Energie – insbesondere für die Herstellung von Zement. Bei energetisch optimierten Gebäuden wie Passivhäusern kann die graue Energie bereits einen wesentlichen Teil des Gesamtenergieaufwands (inkl. Betrieb) über die Lebensdauer ausmachen, während bei energetisch ungünstigen Bauten der Betriebsaufwand sehr stark überwiegt. Für die weitere Entwicklung des Passivhaus-Konzepts sollte die graue Energie unbedingt beachtet werden. Es ist auch ohne weiteres möglich, Passivhäuser zu bauen, ohne einen erhöhten Einsatz grauer Energie in Kauf nehmen zu müssen. Ein Mehraufwand z. B. bei der Wärmedämmung kann nämlich leicht an anderen Stellen ausgeglichen werden.
  • Die Herstellung von Lebensmitteln ist teilweise sehr energieaufwendig wegen des Einsatzes schwerer Maschinen und von synthetischen Düngemitteln (z. B. Stickstoffdünger). Besonders groß wird der Aufwand, wenn Fleisch produziert wird, weil dann ein Vielfaches an Pflanzenmaterial als Futtermittel benötigt wird. Hinzu kommen noch klimaschädliche Methan-Emissionen vor allem bei der Haltung von Rindern.
  • Produkte wie Lebensmittel, die mit dem Flugzeug über weite Strecken befördert wurden, sind z. T. stark mit grauer Energie belastet, während der Energieaufwand für lokal erzeugte Nahrungsmittel sehr gering sein kann. Allerdings kann der Transport der gekauften Lebensmittel durch den Verbraucher mit dem Auto über wenige Kilometer umweltbelastender sein als die Herstellung und ein Schiffstransport über tausende von Kilometern zusammengenommen.
  • Einwegflaschen sind sehr energieintensiv, selbst wenn sie vollständig recycelt werden. Das Recycling erfordert nämlich das Einschmelzen des Glases, d. h. das Aufheizen auf sehr hohe Temperaturen. Bei anderen Materialien wie z. B. PET oder Aluminium sind zwar die Rohstoffe energieintensiv, aber das Recycling viel weniger (weil geringere Stoffmengen auf weniger hohe Temperaturen aufgeheizt werden müssen). In diesem Fall hängt also die Energiebilanz sehr stark davon ab, ob Recycling konsequent praktiziert wird: Im Hausmüll landendes Aluminium ist weitaus energieintensiver und damit umweltbelastender als solches, welches nach der Verwendung ins Recycling gelangt.
  • Die Herstellung oder Gewinnung und Veredelung diverser wertvoller Materialien wie Gold, Platin und Diamanten ist extrem energieaufwendig, abgesehen von massiven zusätzlichen Umweltbelastungen beim Bergbau.
  • Insbesondere auch die Herstellung von Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie kann erhebliche Mengen von Energie erfordern, da aufgrund der geringen Energiedichte oder Leistungsdichte solcher Energiequellen häufig ein höherer Materialaufwand bezogen auf die erzeugten Energiemengen nötig ist. Deswegen müssen solche Anlagen teils mehrere Jahre lang Energie liefern, bis die graue Energie ausgeglichen ist. Es ist wichtig, diese energetische Amortisationszeit zu minimieren und die graue Energie nicht ausgerechnet mitfossilen Energieträgern zu decken.